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„Die sozialen Kontakte fehlen sehr.“


Wie Studienkompass-Geförderte den Studienstart in Pandemiezeiten erleben.

Der Studienbeginn – ein aufregender Lebensabschnitt aus vielen, ganz unterschiedlichen Gründen. So viel Neues, ganz viele Veränderungen! Jahrelang darauf hingearbeitet und viele Gedanken darüber gemacht, welcher Weg der richtige ist. Und dann? Dann ist man auf einmal Erstsemester mitten in einer Pandemie, Corona-Generation, ein bisschen Versuchskaninchen und vor allem mit ganz vielen Fragezeichen konfrontiert.

Rund 200 Studienkompass-Teilnehmende haben im letzten Jahr ihr Abitur unter sehr speziellen Bedingungen abgelegt und sich für ein Studium entschieden. Sie gehören damit zu einem Jahrgang an Erstsemestern, der das Studium und die Hochschule vor allem digital kennengelernt hat. Eine Studie des Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) aus dem Sommer 2020 belegt einen Umsturz der Lehrformen. Wurden vor der Pandemie 88 Prozent der Lehrangebote analog durchgeführt, wurden im Laufe des Jahres 93 Prozente der Angebote auf digital umgestellt. Für Erstsemester, die sich erst in der Lernumgebung einer Hochschule zurecht finden müssen, ist das in vielfacher Hinsicht ein Kulturschock.

Für Studienkompass-Teilnehmer Simon Grambau, der seit Oktober 2020 Allgemeine und digitale Forensik an der Hochschule Mittweida studiert, ging es nach etwa zwei Wochen als Erstsemester in den digitalen Modus. Wie viele Studierende ist er dann erstmal wieder für eine längere Zeit nach Hause zur Familie gefahren. Technisch hatte seine Hochschule alles ganz gut im Griff. Eine Lernplattform dient als wichtigstes Kommunikationsmittel, Vorlesungen finden digital statt oder werden als Video zur Verfügung gestellt. Doch nicht alles lässt sich so einfach technisch auffangen: „Das digitale erste Semester hat es vor allem erschwert, neue Leute kennenzulernen. Es gab seitens der Hochschule Versuche, das über Onlinemeetings aufzufangen. Aber dann saßen 80 Leute zusammen in einem digitalen Raum und keiner hat etwas gesagt. Das funktioniert einfach nicht gut.“

Im Vergleich zum strukturierten Schulalltag war es für Simon auch ungewohnt, ganz unbeaufsichtigt zu lernen und sich selbständig Vorbereitung und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen oder Prüfungen einzuteilen. Das stellt hohe Anforderungen an die eigene Verantwortungsübernahme und die Anpassung an verändernde Rahmenbedingungen. Und auch die Work-Life-Balance leidet darunter, das stundenlange Sitzen vor dem Computer ist körperlich und psychisch anstrengend.

Diese Erfahrung hat auch Sarah Schäfer gemacht, die an der Universität Leipzig Lehramt Sonderpädagogik studiert. „Kurz vor Weihnachten hatte ich ein ziemliches Tief. Das viele Sitzen, die fehlende Abwechslung, das hat mir vor allem körperlich zu schaffen gemacht. Ich war sehr genervt von der ganzen Situation und habe das oft an anderen ausgelassen. Ich musste erst lernen, meinen Alltag passender zu gestalten und mehr Bewegung einzubauen.“

Einen individuellen Rhythmus finden, den Studientag aktiv gestalten, dafür brauchten beide ein bisschen Zeit. Dabei half es, dass man im Laufe des Semesters mehr Kontakt mit anderen Studierenden hatte, z.B. in Arbeits- oder Lerngruppen. Hier wurden neue Formen der Zusammenarbeit gefunden. Manchmal hilft es auch einfach schon, gemeinsam über die Schwierigkeiten zu stöhnen. Alles immer alleine machen zu müssen, das ist anstrengend. Auch in ihren Studienkompass-Gruppen konnten sie sich austauschen und haben darüber hinaus am Workshopangebot teilgenommen, z. B. für ein verbessertes Zeitmanagement oder eine individuell passende Arbeitsorganisation, die auch die Balance zwischen Arbeitsphasen und Ausgleich berücksichtigt.

Rückblickend rät Simon anderen Erstsemestern, so viele Themen wie möglich schon vor Studienbeginn anzugehen. Dazu gehört natürlich vor allem die intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Studienfach und den Inhalten, damit man keine Überraschungen erleben muss, wenn etwa viel mehr Mathematik auf dem Stundenplan steht als erwartet. Aber auch mit Administrativem wie Wohnung, Studienfinanzierung oder Versicherungen kann man sich schon gut im Vorfeld beschäftigen, damit man später mehr Zeit für die Studieninhalte hat. Auch Sarah hat sich intensiv mit ihrer Studienwahl beschäftigt, ruft aus ihren Erfahrungen heraus aber auch zu etwas mehr Gelassenheit zum Studienstart auf. „Macht euch nicht zu viele Gedanken im Vorfeld, wie alles ablaufen wird. Es kommt einfach vieles anders und damit muss man dann umgehen können. Wichtig ist, dem Ganzen offen entgegen zu treten und sich immer ausführlich zu informieren. Dann ist alles zu schaffen.“

Der Studienkompass hat beide ermutigt, sich bereits im letzten Sommer für ein Stipendium zu bewerben. Mit Erfolg: Seit dem vergangenen Oktober erhalten sie ein Stipendium des Studienförderwerks Klaus Murmann der Stiftung der Deutschen Wirtschaft. Damit treten nicht nur finanzielle Sorgen in den Hintergrund, wenn der Nebenjob wegfällt und die Miete fürs Wohnheim trotzdem bezahlt werden muss. Auch die ideelle Förderung kann hier helfen, wenn z. B. Stipendiat*innen aus höheren Semestern Tipps geben oder Angebote zum wissenschaftlichen Arbeiten genutzt werden können.

Obwohl sie es beide im Laufe der letzten Monate geschafft haben, sich entsprechend zu organisieren und mit den Veränderungen klarzukommen, hoffen Sarah und Simon doch sehr, dass sie bald auch mal das klassische Studierendenleben genießen können. Zwischen den Vorlesungen mit anderen ganz ohne Video und Handy auf dem Campus einen Plausch halten, Möglichkeiten des Unisports nutzen und natürlich auch mal auf der Studentenparty ausgiebig feiern – das alles sollte auch dazu gehören und ist hoffentlich ganz bald wieder für alle Studierenden möglich!