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Der Studienkompass wirkt - Ergebnisse der Absolvierendenbefragung 2023

Im Sommer 2023 wurden im Rahmen einer Online-Befragung Absolvierende der Studienkompass-Abschlussjahrgänge 2010 – 2022 anonymisiert befragt. Die Befragung zielte auf die retrospektive Einschätzung der ehemaligen Teilnehmenden zum Unterstützungspotenzial der Programmbestandteile für den Übergang und die weitere Laufbahngestaltung ab. 703 Personen nahmen an der Befragung teil, dies entspricht einer Quote von 20 Prozent. 

93 Prozent der Alumni gaben an, durch den Studienkompass darin bestärkt worden zu sein, die Herausforderungen rund um die berufliche Orientierung selbstbewusst anzugehen. 89 Prozent bestätigten in der Retrospektive, dass die Förderung ihnen geholfen hat, die Herausforderung als Erstakademiker/in zu meistern. Das belegen auch die sehr niedrigen Abbruchquoten der Alumni. So haben nur 3,9 Prozent der Befragten ihr Studium abgebrochen – im allgemeinen Bundesdurchschnitt sind es 27 Prozent (Hochschul-Bildungs-Report 2020). Insbesondere wird auch der Ausbau von Kompetenzen während der Förderung hervorgehoben. Dazu gehören etwa Selbstvertrauen, soziale Kompetenz, Entscheidungskompetenz sowie der Umgang mit Unsicherheiten und Herausforderungen.

Das Konzept der Befragung wurde mit Beratung von Prof. Dr. Katja Driesel-Lange, Universität Münster, erarbeitet, die die Ergebnisse im folgenden Kommentar einordnet. Die Befragung bestätigt die positiven Ergebnisse der Programm-Evaluation, die 2007-2014 mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung umgesetzt wurde. 

Studienkompass wirkt!?

Ein wissenschaftlicher Kommentar zur Absolvent*innenbefragung

Prof. Dr. Katja Driesel-Lange

Die ersten quantitativen und qualitativen Auswertungen der Befragung ehemaliger Studienkompass-Teilnehmender können für eine Reflexion der Fragen der Wirksamkeit des Programms herangezogen werden. Dabei steht im Mittelpunkt zum einen die Interpretation der Rückmeldungen zum Unterstützungspotenzial der Programmbestandteile vor dem Hintergrund theoriebasierter Überlegungen. Zum anderen lassen sich mit den Ergebnissen die Laufbahnen der ehemaligen Stipendiat*innen nachzeichnen und so Muster identifizieren, die an späterer Stelle für Überlegungen der weiteren Programmgestaltung im Sinne individueller Förderung fruchtbar gemacht werden könnten. Die Erkenntnisse dienen der Rückfrage, inwieweit es gelingt, gerade die Jugendlichen bestmöglich zu fördern, die aufgrund ihrer nichtakademischen Herkunft größere Barrieren in der Einlösung ihrer (akademischen) Bildungschancen zu bewältigen haben.

Korrespondierend zum Ziel des Studienkompass, die Teilnehmenden zu einer sicheren Entscheidung für den nachschulischen Bildungsweg zu befähigen, zeigt sich in den Antworten deutlich die wahrgenommene Förderung von Berufswahlkompetenz auf allen diesem Konzept innewohnenden Dimensionen. Dies bedeutet, dass die Jugendlichen durch den Mix an Instrumenten und Methoden erstens in Bezug auf ihr selbst- und berufsbezogenes sowie planungsrelevantes Wissen profitiert haben. Mithilfe der Trainingseinheiten in den Workshops und der Regionalgruppenarbeit konnte beispielsweise das Wissen über Interessen und Stärken sowie Kenntnisse über akademische Perspektiven oder solche im Kontext der beruflichen Bildung erweitert werden. Zweitens hat das Programm erheblich zu einer Weiterentwicklung im Kontext motivationaler Faktoren beigetragen. Deutlich wird vor allem die Förderung der Zuversicht, den nachschulischen Lebensweg zu gestalten, die Stärkung der Offenheit für weitere passende Anschlussoptionen und die Ermutigung, auch mit Nachentscheidungsproblemen umzugehen. Das Programm hat drittens nachhaltig dazu beigetragen, das sprichwörtlich wichtige Rüstzeug für die Gestaltung des Übergangs zu erhalten. Dazu gehören unter anderem die wichtigen Erfahrungen aus Exkursionen an Universitäten und Unternehmen sowie Strategien zum Umgang mit problem- und stressbelasteten Situationen.

Auf die Erkenntnisse der Berufswahlforschung rekurrierend, ist wesentlich, dass der Studienkompass im Kontext des Social Support als wirksam erlebt wird. Dieses Konzept, das zum einen durch die Einbindung in Netzwerke (network support) charakterisiert wird und zum anderen unterschiedliche Arten der Unterstützung ausweist, d.h. informationelle, instrumentelle und emotionale Unterstützung, ist in hohem Maße erkennbar. Die besonders in der Unsicherheit des Jugendalters bedeutsame Entwicklung von Freundschaften und dieVernetzung mit Jugendlichen, die ähnliche Ausgangslagen haben, und der damit verbundenen Möglichkeit des Austauschs über Emotionen, Ideen und Erfahrungen stärkt die Heranwachsenden. Es entsteht das Gefühl der Zugehörigkeit und sozialen Eingebundenheit, die als wesentliche Grundbedürfnisse gelten.

Als zentral für erfolgreiche Laufbahnentwicklung gelten Kontakte und Netzwerke, die Informationen bereitstellen und so praktisch bei der Gestaltung von Anschlusslösungen unterstützen. Darüber hinaus haben Netzwerkpartner auch eine Vorbildwirkung und können u.a. dadurch die Selbstwirksamkeit stärken.

Von besonderer Bedeutung sind die Gespräche mit ihren Mentor*innen und weiteren Beteiligten, die zum einen als Intervention im Rahmen des Programms angelegt und zum anderen von den Jugendlichen selbstinitiiert geführt werden. Die Inhalte der Gespräche dienen der Reflexion der Inhalte aus den Workshops und anderer Programminterventionen und knüpfen an die unterschiedlichen Unterstützungsbedarfe in informationeller, instrumenteller und emotionaler Hinsicht an. So werden u.a. Erkenntnisse zu den Stärken und Interessen thematisiert oder auch Strategien der Bewältigung des Übergangs, z.B. in finanzieller und organisatorischer Sicht, besprochen.  

In einem ersten Resümee lassen sich mit Bezug auf die Aussagen der Absolvent*innen für die zukünftige Gestaltung des Programms folgende Aspekte im Kontext seiner Spielräume diskutieren:

1.
Wie kann Sicherheit für alle Teilnehmenden erreicht werden? Es sollten vor allem Anforderungsbereiche der nachschulischen Bildungsumgebung (fachlicher, persönlicher, sozialer und organisatorischer Anforderungsbereich), die als zentral für die Vorbereitung eines gelingenden Übergangs gelten, im Ergebnis von jedem Einzelnen bearbeitet worden sein. Sicherheit entsteht, wenn alle Anforderungsbereiche, ausgehend von der individuellen Entscheidung für den nachschulischen Bildungsweg, Gegenstand einer vertieften Auseinandersetzung waren und Klarheit herrscht, welche Kompetenzen für den Übergang in die nachschulische Bildungsinstitution in fachlicher, persönlicher, sozialer und organisatorischer Hinsicht erforderlich sind.

2.
Wie kann die wahrgenommene Unterstützung, also der social support und damit auch das Gefühl der sozialen Eingebundenheit, für alle Teilnehmenden gesichert werden? Besonders vom Austausch mit den Peers scheinen die Jugendlichen mit eher unkonkreten Zukunftsvorstellungen zu Beginn des Studienkompass zu profitieren und den Studienkompass als hilfreicher wahrzunehmen. Es zeigt sich, dass die wahrgenommene Wirksamkeit abhängig von konkreten Personen ist, die vor allem in den Regionalgruppen aktiv sind. Es ist sicher zu stellen, dass die passende Art der Unterstützung dort gegeben wird.

3.
Wie können die Erwartungen der Teilnehmenden stärker aufgenommen werden? Neben der in den Workshops zu Beginn avisierten Klärung der eigenen Erwartungen, müssen diese zum einen fortlaufend im Lichte der Ziele des Studienkompass reflektiert werden. Zum anderen gilt es, die Notwendigkeit der Eigenaktivität und -verantwortung auch bei den Teilnehmer*innen sichtbarer zu machen und in entsprechende Aktivtäten für alle Jugendlichen zu überführen.

4.
Wie können die Interventionen nachhaltiger für alle Teilnehmenden gestaltet werden? Da die Gespräche ein Garant für langfristig positive Entwicklung darstellen, sollten die Jugendlichen ermuntert werden, alle Aktivitäten nachzubereiten. Geeignete Kommunikations-, Reflexions- und Dokumentationswerkzeuge können diese Prozesse unterstützen.